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programmthematische reihekonzept

einführung : konzept : künstlerische beiträge : symposium
KONZEPT [Kapitel 1] [Kapitel 2] [Kapitel 3]

Arbeitsskizze: Kolonialismus ohne Kolonien?
Beziehungen zwischen Tourismus, Neokolonialismus und Migration

Zweite Thematische Projektreihe
Sønke Gau / Katharina Schlieben
in Dialog mit on the way to: From/To Europe

Koloniale Matrix
Die Thematische Projektreihe der Shedhalle wird sich 2005/2006 mit der Frage nach kolonialen, postkolonialen und neokolonialen Beziehungen auseinandersetzen. Exotische mediale Bildproduktionen, die Tourismusindustrie, politische wirtschaftlich-neokoloniale und migrantische Konjunkturen und Beziehungen stehen im Zentrum des künstlerischen, wissenschaftlichen und kuratorischen Recherche- und Ausstellungsprojektes. Die Idee ist es, diese Themen und Diskurse, die zunächst ein sehr weites Feld von Bezugsmöglichkeiten öffnen, miteinander zu verknüpfen und auf Zusammenhänge zu befragen. Wichtig scheinen uns daher nicht die Untersuchung der Einzelthemen, sondern eine Analyse und eine Schärfung des Blickes auf die Schnittmengen, Graubereiche und Beziehungen. Das Hybride dieser Felder fordert die Analyse der Verknüpfung der jeweiligen Aspekte. Kuratorisch soll deswegen der Versuch unternommen werden, einige künstlerische und wissenschaftliche Formate über den Zeitraum von einem Jahr zu entwickeln und die künstlerische Praxis als Forschung ("practice as research") zu verstehen.

Sønke Gau/Katharina Schlieben

Kolonialismus ohne Kolonien?
Die anglo-amerikanischen Post-Colonial Studies untersuchen Modelle hybrider Identitätskonstruktion, das Dazwischen-Sein, Transgression und Übersetzung, welche die kulturelle Produktivität und die politische Handlungsfähigkeit des jeweils "Anderen" gestalten. Es wird nicht mehr von dem "Ich", der Nation, der Kolonie, dem Geschlecht, dem Ethos ausgegangen, die Differenzerfahrung wird nicht mehr im "Aussen" lokalisiert, sondern als Differenzerfahrung des "Eigenen" neu bestimmt (Butler). Julia Kristeva formuliert diese Differenzerfahrung in Das Fremde sind wir uns selbst (in Anschluss an Freuds Theorie des "Unheimlichen") als eine intersubjektive Konstruktion folgendermaßen: "Der Andere, das ist mein eigenes Unbewusstsein (mein unbewusstes Eigenes)". Die von Homi Bhaba, Stuart Hall, Edward Said, Gayatrie Spivak, Julia Kristeva und anderen in den späten 70ern und 80ern entwickelten Diskussionen fordern eine Infragestellung der antagonistischen Muster zwischen "Kolonisator/Kolonialisierter", "Opfer/Täter", das "Eigene/Fremde". Durch eine Reflexion solcher Muster tangiert eine Erforschung kolonialer Beziehungen und eine politische Positionierung zu diesen, auch diejenigen, die nicht unmittelbar in eine koloniale Vergangenheit eingebunden waren: Kann man hier von einem Kolonialismus ohne Kolonien sprechen? Victoria Schmidt-Linsenhoff verweist darauf, dass eine kritische Aufarbeitung des kolonialen Blickregimes und seiner Bildkonzepte und Ikonographien unverzichtbar für eine postkoloniale Kultur ist: Die Reflexion der Partikularität der eigenen Perspektive und ihrer Verortung in einem antizipierten Raum des Postkolonialismus erlaubt es einerseits die Einschreibung kolonialer Gewalt auch in der europäischen Kulturgeschichte und der kulturellen Gegenwart zu erkennen und andererseits die anderen nicht als stumme Objekte der Repräsentation zu fixieren, sondern als kulturelle Akteure anzuerkennen, die den eurozentristischen Entdeckerblick schon immer erwidert und modelliert haben. Die Projektreihe setzt sich mit der Bewusstmachung postkolonialer Strukturen auseinander. In Frage zu stellen und zu analysieren wären dem nach die antagonistischen Muster in einer hybriden interkulturellen Gesellschaft und gleichzeitig der Prozess einer Neuverortung und Positionierung, der nur politisch sein kann, wenn er sich antagonistisch verhält.

Sønke Gau/Katharina Schlieben

Was hat das mit der Schweiz zu tun?
Ist die Frage nach dem "Kolonialen ohne Kolonien" hierbei hilfreich? Eine Auseinandersetzung über die Konstruktion von "Eigenem" und "Fremdem" muss selbstbezüglich verhandelt werden, wenn man über postkoloniale Strukturen mitsprechen möchte. Was hat das mit der Schweiz zu tun? – Oder: Warum sind typische Kolonialwaren wie Schokolade und Kaffee in der Schweiz so prominent? Die Schweiz sowie andere Länder, die keine Kolonien besessen haben, müssen in eine politische postkoloniale Forschung und Aufarbeitung integriert werden und ihre eigene politische Haltung hierzu entwickeln. Der Begriff des Kolonialen muss neu justiert werden. Um der Dichotomie "Täter/Opfer" und der darin enthaltenen Problematik einer wechselseitigen Zuschreibung zu entgehen, ist es wichtig, nicht per se ehemalige Kolonialmächte, sondern vielmehr koloniale Handlungsmuster, die sich in Abhängigkeitsverhältnissen wiederspiegeln, zu untersuchen. Wie Kien Nghi Ha in seiner Publikation Ethnizität und Migration schreibt, ist Postkolonialität "in erster Linie kein chronologischer Epochenbegriff, der die Zeit nach der formellen politischen Unabhängigkeit von der westlichen Kolonialmacht markiert, sondern eine politisch motivierte Analysekategorie der historischen, politischen, kulturellen und diskursiven Aspekte des unabgeschlossen Kolonialdiskurses". Postkoloniale Blickregime und Machtkonstellationen beschränken sich nicht auf zeitlich und/oder örtlich begrenzte historische Prozesse, sondern strukturieren gesellschaftliche Verhältnisse und reproduzieren sich in ihnen. Wo finden sich diese neokolonialen Strukturen wieder? Im Hinblick auf mediale exotisierende Bildproduktion, migrantische Bewegungen und neokoloniale Wirtschaftsbeziehungen muss mit einem multiperspektivischen Blick operiert werden: Einem Blick, der sich einerseits der Einflüsse der kolonialen geschichtlichen Matrix bewusst ist und damit eine Selbstreflexion des eigenen subjektiven Standpunktes inkludiert und der andererseits eine Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen globalen ökonomischen Beziehungen, die Im- und Export durch Ein- und Ausschlusskriterien organisieren, anstrebt.

Wir möchten die folgenden thematischen Aspekte in kommenden Projekten untersuchen und ihre Beziehungen zueinander analysieren:

Kapitel 1: Tourismusindustrie und exotisierende mediale Bildproduktion
(28. Oktober 2005 - 15. Januar 2006)

Kulturelle Selbstvergewisserung und Vorstellungen von fremden Ländern speisen sich neben dem subjektiven Erfahrungshorizont, auch aus dem riesigen Reservoir medial vermittelter Bilder. In diesem Zusammenhang spielt die Tourismusindustrie eine zentrale Rolle, da sie immer auch Blickregime auf das vermeintlich "Andere" produziert, bzw. inszeniert. In der Schweiz, in welcher der Tourismussektor eine große wirtschaftliche Bedeutung hat, sollen touristische Inszenierungen, bzw. Wahrnehmungen, so wie die damit zusammenhängenden Zuschreibungen und Ein- und Ausschlussmechanismen untersucht werden. Interessant ist, dass der Name "Schweiz" auf der Weltkarte häufig erscheint. Was hat es mit der "Schweiz anderswo" (Peruanische Schweiz, Afrikanische Schweiz, Sächsische Schweiz etc.) auf sich? Die Schweiz produziert innerhalb der Schweiz von sich Bilder, ebenso werden außerhalb von der Schweiz solche produziert. Die Wechselbeziehungen zwischen Kolonialisierten und Europa finden sich als kulturelle Formen in der Tourismusindustrie und der Kulturindustrie wieder. Das Ausstellungsprojekt fragt nach der Gegenwärtigkeit und der Geschichte exotisierender Bildproduktionen, nach der intersubjektiven Differenzerfahrung im gegenwärtigen Kontext und dem Tourismus als Konsum von Zeichen und Bildern.

Künstlerische Beiträge:
[Backes] [Burlingham] [Kumschick] [Lanzinger] [Mayer/Mettler/Ronca]
[Ponger] [Reichstein] [Rekacewicz] [Sircar] [Wong]

In Dialog mit:
[From/To Europe #I]

[Symposium, 17. Dezember 2005]
Ein Symposium, das unter Berücksichtigung heterogener Perspektiven Fragen nach medialen, exotischen Bildproduktionen im Kontext der thematischen Ausstellungsreihe Kolonialismus ohne Kolonien? Beziehungen zwischen Tourismus, Neokolonialismus und Migration stellen möchte. Das Symposium wurde im Dialog mit Peter Spillmann konzipiert. Informationen zu den ReferentInnen werden noch bekannt gegeben.


Kapitel 2: for example TEU: 8 feet x 20 feet
(25. Februar - 7. Mai 2006)
Neokoloniale wirtschaftliche Beziehungen
Sønke Gau / Katharina Schlieben

Diese Ausstellung beschäftigt sich mit neokolonialen ökonomischen Strukturen und mit Kontinuitäten kolonialistischer Verhältnisse.

ISO-Container haben eine Breite von 8 Fuss (2,44 m) und eine Länge von 20 Fuss (6,06 m). Daraus ergibt sich die Abkürzung: TEU (Twenty-feet Equivalent Unit). Diese Normierung ist so gewählt, dass Container auch mit Lkw, Eisenbahn oder Schiff befördert werden können. Der Handel mit Rohstoffen spielte eine eminent wichtige Rolle für eine koloniale Politik und Wirtschaftsform. Die heutige postkoloniale und neokoloniale Gesellschaft basiert auf einem Kräfteverhältnis von Macht und Wissen und fördert eine Vielfalt kolonialer Praxen. So sind es heute nicht mehr nur die Rohstoffe, die allerdings nach wie vor politisch-wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen, sondern auch die ungleichen Mobilitäts- und Kommunikationsbedingungen, welche neokoloniale Abhängigkeiten fördern.

Gegenwärtige neokoloniale Situationen sind geprägt durch ein Machtgefälle, in welchem die unmittelbare politische Abhängigkeit durch eine Fortschreibung der ökonomischen Abhängigkeit ersetzt wurde. Multinationale Konzerne und die Regierungen von Ländern, die sie unterstützen, streben eine Kontrolle über die Ressourcen, Finanz- und Warenmärkte ärmerer Länder an. In einer kolonialen Kontinuität werden diese Länder als Reservoir für billige Arbeitskräfte und Rohstoffe genutzt, oft ohne einen Beitrag zu einer diversifizierten ökonomischen und sozialen Struktur zu leisten. Auch Länder wie die Schweiz, die keine Kolonien besessen haben, sind bis heute in diese (neo-)kolonial geprägten Macht- und Austauschverhältnisse eingebunden. Aktuell sind in diesem Zusammenhang die weltweite Privatisierung von Trinkwasser oder die Rolle der Schweizer Chemischen Industrie im Handel mit pharmazeutischen und agrochemischen Produkten. Als konfliktreiches und paradoxes Unterfangen erweisen sich auch Entwicklungshilfeprojekte, die im Bestreben einer Dekolonisierung gleichzeitig ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse in einer globalisierten Weltwirtschaftspolitik mit produzieren.

Das Projekt strukturiert sich in drei Module: Recherchen und Projekte zeitgenössischer KünstlerInnen, eine zweite Folge des Projektes "From/To Europe", welches die wiederentdeckten Fotografien "Pierre Bourdieu. In Algerien. Zeugnisse der Entwurzelung" zeigen und diskutieren möchte, sowie Hörstationen mit Gesprächen zur Positionierung der Schweiz gegenüber ihren eigenen (neo-)kolonialen Verstrickungen.

Künstlerische Beiträge:
[Azzellini/Ressler] [Conlon] [Cuevas] [Keller] [Mayer/Mettler/Ronca]
[Nordahl] [Rekacewicz] [Thorsen]

[Hörstationen]

In Dialog mit
Jochen Becker/metroZones
«Bourdieu in Algerien, Bourdieu in der Banlieue»
Ein Kommentar zu Pierre Bourdieu. In Algerien.
[From/To Europe #2]

Pierre Bourdieu. In Algerien. Zeugnisse der Entwurzelung. (pdf)
Eine Ausstellung von Camera Austria, Graz / Christine Frisinghelli und Fondation Pierre Bourdieu, Genève / Franz Schultheis

Symposium: 22./23. April 2006
[Rock el Casbah]
Bourdieu, Algier, Bern, Banlieue

22. April, Samstag:
14.00 – 18.00: Vorträge und Diskussionen
20.00 – 22.00: Filmprogramm mit Remember Resistance (Berlin)

23. April, Sonntag:
12.00 – 18.00: Vorträge und Diskussionen


Kapitel 3: for example S, F, N, G, L, B, C – Eine Frage der Grenzziehung
(4. November 2006 - 28. Januar 2007)
Sønke Gau / Katharina Schlieben

Konzeptioneller Ausgangspunkt der Thematischen Projektreihe Kolonialismus ohne Kolonien? Beziehungen zwischen Tourismus, Neokolonialismus und Migration ist die Annahme einer kolonialen Konstante – die gleichermassen für Staaten mit und ohne direkte koloniale Vergangenheit gültig ist – die durch wirtschaftliche und politische Machtgefüge re-produziert, durch Grenzregime aufrechterhalten wird und auf der Konstruktion eines kolonialen ‘Anderen’ beruht. Hybride Formen der Zugehörigkeit zu einem staatlichen und kulturellen Kontext, führen unmittelbar zu Fragen der Einwanderungs- und Migrationspolitik. for example S, F, N, G, L, B, C möchte migrantische Bewegungen und Ein- und Ausschlussmechanismen in Bezug auf koloniale Handlungsmuster betrachten und fragen, inwieweit sich koloniale Praktiken in der Migrationspolitik fortsetzen.



In Zürich leben Menschen aus ca. 170 Nationen, ein Drittel der Wohnbevölkerung besitzt keinen Schweizer Pass. All diese bekommen einen so genannten Ausländerausweis S, F, N, G, L, B, C zugeteilt oder verfügen über ‘keine Papiere’. Jeder Buchstabe eines Ausländerausweises formuliert Aufenthaltsrechte und damit eine Figur der Grenzsituation die Ein- und Ausschlussmechanismen markieren. Die Migrationsgeschichte der Schweiz, die mit über 20% einen der höchsten Anteile von Bevölkerung mit ‘Migrationshintergrund’ innerhalb Europas aufweist, ist in den letzten Jahrzehnten bestimmt von politischen Debatten ob die Schweiz ein Einwanderungsland ist oder restriktiv ihre Grenzen in der ‘Festung Europa’ stabilisieren muss. Die verschiedenen Konjunkturen der migrantischen Bewegungen führten immer wieder zu Debatten um einen Einwanderungsstopp.

Die Saisoniers, die überwiegend im Strassenbau und Tourismussektor gearbeitet und diesen kontinuierlich etabliert haben, sowie die ‘Gastarbeitermigration’ aus Südeuropa, welche verstärkt in den 60er Jahren begann und die Schweizer Wirtschaft angekurbelt hat, führte in den 70ern im Zuge der Auseinandersetzung um die Einbürgerungen, zur Diskussion über ‘Überfremdung’. In den 80ern steht, neben der Frage nach den Ausschluss- und Integrationsmechanismen der ‘Secondos’ (zweite Generation), die Debatte um die Asylsuchenden im Vordergrund. Erneut wird von dem ‘vollen Boot’ gesprochen. Während das Schweizer Aktionskomitee gegen den Schengen/EU-Beitritt noch im Sommer 2005 mit Parolen wie „Sicherheit verlieren? Arbeit verlieren?" in einer grotesken Bildsprache, die das Fürchten lehren soll, für eine generelle Abschottung der Schweiz auch gegen EU-Staaten (rund 60% der in der Schweiz lebenden Menschen ohne Schweizer Pass kommen aus der EU) warb, haben sich die Abgrenzungsbemühungen mittlerweile an die Grenzen der EU und darüber hinaus verschoben.



Der Prozess der europäischen Integration verschärft dabei bipolaren kolonialistisch geprägte Ein- und Ausschlussmechanismen, die sich auch an der aktuellen Verschärfung der so genannten Asyl- und Ausländergesetze ablesen lassen. Das den Regelungen zugrunde liegende ‘Zwei-Kreis-Modell’ ermöglicht Zuwanderung aus EU-Staaten, verunmöglicht aber nahezu – abgesehen von Ausnahmeregelungen für Hochqualifizierte und eine Leistungsprominenz für welche die Arbeitsmärkte selektiv offen sind – den Zuzug aus so genannten ‘Drittstaaten’. Parallel zum Beitritt zum Schengener Informationssystem (SIS) ab 2008, hat die Schweiz damit ein Gesetz angenommen, das auf Grund der Repressions- und Abschreckungsmassnahmen eher die Bezeichnung ‘Asylverhinderungsgesetz’ verdient, welches in Teilen schwer vereinbar mit geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen beziehungsweise humanitären Traditionen der Schweiz ist, und das Land zu einer Festung innerhalb der ‘Festung Europa’ macht – deren Grenzen aber nicht primär und ausschliesslich das Staatsgebiet markieren, sondern teilweise im Land selbst oder an, bzw. ausserhalb der Grenzen der EU liegen. Während durch die Ausweitung von Grenzregimen auf Nachbarstaaten der EU versucht wird, bereits ‘illegale’ AUSwanderung zu verhindern (also noch ehe es zu einer EINwanderung kommen kann), werden im Inland für diejenigen, die es trotzdem geschafft haben ‘einzureisen’, weitere Abgrenzungen eingeführt, die Persönlichkeitsrechte und Bewegungsfreiheit einschränken. Bürokratische und juristische Kategorisierungen wie die so genannten Ausländerausweise S, F, N, G, L, B, C in der Schweiz (zusätzlich des inoffiziellen Status Sans-Papiers) stellen eine Form des Aufenthaltsrechtes dar und damit eine Figur der Grenzziehung und - erfahrung, die bestimmte Ein- und Ausschlussmechanismen kennzeichnet und klassifiziert.

Die Thematische Projektreihe Kolonialismus ohne Kolonien? möchte im dritten Teil migrantische Bewegungen in Bezug auf koloniale Handlungsmuster untersuchen. Nur ausschnitthaft und punktuell kann in diesem Projekt der Versuch unternommen werden, Abhängigkeitsstrukturen, rassistischen Tendenzen der Abgrenzung, sowie (post-)kolonialen Alltagsphänomenen in der Schweiz und Europa nachzugehen. Wer darf einreisen und wohin und zu welchem Zweck? Wie prägt und transformiert der migrantische Alltag die europäischen Metropolen? Welche Assimilierungsprozesse, identitätsstiftenden Phänomene oder interventionistischen Praxen werden formuliert und etabliert? Die Beteiligten des Projektes untersuchen Dynamiken und Phänomene der migrantischen Bewegungen im Spannungsfeld einer europäischen transnationalen Gesellschaft, die gegenwärtig wieder verstärkt von rassistischen und neopatriotischen Tendenzen infiltriert ist.



In Dialog steht diese Projektkonzeption mit From /To Europe #3 (verlinkt zu From To), das sich mit der sozialen, ökonomischen, technologischen und geografischen Spaltung des Zugangs zum Datenverkehr, der Frage der Zugriffsmöglichkeiten im globalen Süden auf mediale Netzwerke und Kommunikationsstrukturen sowie mit der Frage nach den Rechten von Wissenseigentum in Bezug auf das globale Copyright-Regime auseinandersetzt.

Künstlerische Beiträge:
[Candrian] [Egli] [forschungsgruppe_f] [Kanak TV] [Kuster/Mabouna]
[Lanzinger] [Lorenz/Reich] [Mayer/Mettler] [Mona] [Nordahl]
[Orthwein-Erhard/Usbeck] [Rekacewicz] [Ressler] [Salzer/Hofmänner]
[schleuser.net] [Thorsen] [Vogel] [Wyder]

[Hörstationen]


Vorträge und Diskussionen/Gespräche
Samstag, 27. Januar 2007, 16.00 - 20.00

Ein- und Ausblicke mit Projektbeteiligten des dritten Teils der Thematischen Projektreihe "Kolonialismus ohne Kolonien? Beziehungen zwischen Tourismus, Neokolonialismus und Migration" über Ihre Praxis und Überlegungen.

16.00: Philippe Rekacewicz (Oslo/Paris, Kartograph Le Monde diplomatique; Atlas der Globalisierung)

Philippe Rekacewicz interessieren die Beziehungen zwischen Kartografie und Kunst, zwischen Wissenschaft und Politik, speziell aber, welche Rolle die Kunst für die Kartenherstellung spielt und wie sie sich bei der politischen Verwendung (Manipulation) der Karte als Propagandamittel auswirkt. Philippe Rekacewicz spricht über seine Kartenproduktionen, die geopolitische, soziale und wirtschaftliche Probleme ansprechen und speziell über die Karten für die Projektreihe „Kolonialismus ohne Kolonien?“


17.00: Agnes Hofmann und Michi Stegmaier (Bern/Zürich)
Ehemals aktiv und aktiv bei der Gruppe augenauf, arbeiten für und mit Asylsuchenden und Flüchtlingen für ihre Rechte.

Widerstand gegen die Asyl- und AusländerInnenpolitik kann sich auf der politischen Ebene zeigen, auf der juristischen, der künstlerischen, der sozialen oder der humanitären... vor allem aber auch in der Solidarität mit den Betroffenen: Gemeinsam mit Asylsuchenden und Flüchtlingen Ideen und Utopien aushecken oder sie mit Mitteln und Wegen, die uns als Einheimische zur Verfügung stehen, in ihrer Selbstorganisation unterstützen.

PAUSE

18.00: Jochen Becker/metroZones (Berlin)
Warum gibt es eigentlich Schweizer Schokolade? Rückblickend auf From/To Europe #1 - #3.

Das dreiteilige Ausstellung-in-der-Ausstellung-Projekt „From/To Europe“ nahm seinen sichtbaren Auftakt in Kooperation mit der nun abgeschlossenen Ausstellungsserie „Kolonialismus ohne Kolonien?“. Gemeinsam mit dem Shedhallen-Team stellte sich über ein Jahr die Frage, warum Post/Kolonialismus auch in der Schweiz zum Thema wurde. Beteiligungen an Sklavengeschäften durch Basler und Genfer Kaufleute oder die Basler Mission, aber auch die widersprüchlichen Beteiligungen der Schweiz/erInnen an antikolonialen Befreiungsbewegungen oder der Beherbergung von Diktatoren, Widerständlern und deren jeweiligen Kassen machten rasch klar, dass hierbei das Land ein post/kolonialer Knotenpunkt im globalen Netzwerk darstellt(e). Ja – und warum eigentlich ist die Schweizer Schokolade so berühmt, und das Kaffee-Museum eine Zürcher Attraktion?


19.00: Julien Enoka-Ayemba (Berlin, Mitglied der antikolonialen Filmgruppe Remember Resistance)

„Nollywood“: Digitales Kino in Westafrika und die Kontrolle des afrikanischen
Arthouse-Kinos durch europäische Fördergelder.
Zwei unterschiedliche Konzepte der Produktion von Bildern aus Afrika durch afrikanische Filemacher treffen sich hier. Die Unabhängigkeit des afrikanischen Kinos vor allem aus Westafrika gegenüber Institutionen der ehemaligen Kolonialmächte, was bisher nur als Wunsch geäußert wurde, scheint durch das Modell “Nollywood“ denkbarer denn je. Das würde auch das Ende eines bislang akzeptierten Paradigmas des afrikanischen Films bedeuten.