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einführung : konzept : künstlerische beiträge
Eine atemberaubende Kulisse*
Ausgangsperspektive, ongoing project (2005)
Pia Lanzinger

Der Obersalzberg, Inbegriff eines gewaltigen Naturschauspiels, wird seit ca. 150 Jahren von den verschiedensten touristischen Aktivitäten eingenommen. Nach einer Phase, in der das gehobene Bürgertum die Bergschönheiten genoss, bediente sich Adolf Hitler der Natur, indem er sie den Staatsgästen durch das Panoramafenster seines „Berghofs“ als ultimativen Ausdruck von Macht und Stärke präsentierte. Der Obersalzberg fungierte als ideale Kulisse für sein volkstümlich-pompöses Propagandatheater. Schließlich übertraf die Attraktivität des „Führers“ die der Naturschönheiten und sein Feriendomizil avancierte zum Wallfahrtsort. Als der „Führer-Tourismus“ überhand nahm, wurde die „Adolf-Hitler-Höhe“ zum „Führersperrgebiet“ erklärt. 1945, nach der Bombardierung, verhängten die Amerikaner bis 1951 ein Zutrittsverbot über den Berg. Als nach der Freigabe wiederum ein „Führer-Tourismus“ einsetzte, verpflichtete sich der Freistaat Bayern die wichtigsten NS-Gebäude zu sprengen, im Gegenzug gaben die Amerikaner das Kehlsteinhaus zur „touristischen Nutzung“ frei. Mit dem Hotel „General Walker“, dem früheren „Volkshotel Platterhof“, wurde in den folgenden vierzig Jahren fünf Millionen Amerikanern ein Ort zur Erholung geboten. Und auch heute wird die bewährte Alpenpanorama-Kulisse mit dem Nimbus des belasteten Ortes und einer Portion Gruseleffekt für touristische Zwecke ausgebeutet. Ein Luxushotel thront auf dem ehemaligen „Göringhügel“ und fordert seine Gäste auf, in eine „Oase des Wohlbefindens“ einzutauchen, „zwischen Himmel und Erde, 1000 Meter über dem Meeresspiegel“. Um Political Correctness zu signalisieren, wird in den Hotelzimmern neben der Bibel auch „Die tödliche Utopie“, der Begleitband des Dokumentationszentrums, als Nachtlektüre bereitgehalten. Durch eine Initiative des Freistaates Bayern entstanden, wäre der Wellness-Palast außerdem ohne ein komplementäres Dokumentationszentrum nicht möglich gewesen. Dieses wiederum benötigt die jährlich ca. halbe Million Touristen, die das „Geheimnis“ des Kehlsteinhauses erkunden und den Devotionalienhandel blühen lassen. Seit 1911 gibt es zudem das Hotel „Zum Türken“, das ebenfalls vom Nimbus des belasteten Ortes profitiert – seine Werbebroschüre wirbt mit dem identischen Blick, den Hitler einstmals aus seinem „Berghof“ hatte –, jedoch keine Anstrengung in Richtung Aufklärungsarbeit unternimmt.

* Zitat aus der Rede des bayerischen Finanzministers Kurt Falthauser, zur Eröffnung des InterContinental Hotels „Resort Berchtesgaden“ am 15.7.2005.


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