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a.titolo hat anstatt eines Films die Audioarbeit Esigiamo von Laura Pugno, 2.40 min, 2007 vorgeschlagen

Ein Kommentar von Luisa Perlo/a.titolo

Die Arbeit Esigiamo (Wir fordern) von Laura Pugno ist ein Projekt, das den Begriff des Verstehens und der Verantwortung, die mit dem Prozess der Übersetzung einhergehen, untersucht. Ein Auszug aus der Erklärung der Frauen im Kampf, die während des 2. Internationalen Treffens von Mujeres en Lucha am 25. Oktober 2007 in Rom unterzeichnet worden war, wurde in die Sprachen der 18 Unterzeichnenden übersetzt. Die Übersetzungen wurden nacheinander in der Reihenfolge der Unterschriften angefertigt: Arabisch, Spanisch, Farsi, Portugiesisch und English. War bereits der italienische Ursprungstext, der das Ergebnis eines ersten problematischen Verhandlungsprozesses gewesen war, unvollkommen, setzte sich die Reihe der Mängel in einem Prozess, in dem die Kolonialsprachen dominierten, weiter fort. Allerdings gab es die Vermittlung durch eine Hegemonialsprache, das Englische, die eine Brücke zwischen den Sprachen baute, die weit voneinander entfernt waren. Auf dieser Wanderung bewegten sich die Wörter von einer Sprache zur anderen, bevor sie wieder zur Ausgangssprache zurückkehrten, nun aber in radikal veränderter Form. Das Verschwinden des Ursprungstextes und der klaren Bezugspunkte, von denen die Konstruktion von Bedeutung abhängt, macht den Status des Dazwischenseins, einem Kernmoment der Übersetzung, zum Paradoxon und beeinträchtigt dadurch den vollständigen Zugang zum darunter liegenden Diskurs. Die Entscheidung, gleich zwei Übersetzer mit der Übertragung ins Deutsche zu bauftragen, geschah mit der Absicht, genau hier einen weiteren Bedeutungsbruch einzufügen: geradezu als Fortsetzung des Projekts. „Was heisst übersetzen?“, fragt Umberto Eco in der Einführung zu Quasi dasselbe mit anderen Worten (München, Wien, 2006), “Die erste und einfachste Antwort könnte lauten: dasselbe in einer anderen Sprache sagen. Nur ist es leider so, dass wir erstens nicht ohne weiteres angeben können, was es heisst, das selbe zu sagen, und wir wissen es nur sehr ungenau bei all jenen Operationen, die wir Paraphrase, Definition, Erklärung, Umformulierung nennen, ganz zu schweigen von Ersetzungen durch angebliche Synonyme. Zweitens wissen wir angesichts eines zu übersetzenden Textes nicht immer, was eigentlich da gesagt werden soll. Und drittens ist in manchen Fällen auch ungewiss, was sagen heisst“ Als Teil einer gemeinsamen Plattform erscheint Esigiamo als eine Metapher für interkulturelle Beziehungen – das Missverständnis wird in der Tonaufnahme noch dadurch betont, dass die zwei Versionen übereinander gelagert sind. Dennoch ist es das „’Zwischen’ – die Schnittstelle zwischen Übersetzung und Vermittlung“, schreibt Homi Bhaba in Die Verortung der Kultur (1994), der Zwischen-Raum – der die Bürde der kulturellen Bedeutung trägt. 

Das Projekt entstand 2007 in Zusammenarbeit mit Villa 5, dem multidisziplinären Künstlerinnenprogramm auf der Frauenstation der ehemaligen Klinik für Psychiatrie von Collegno in der Nähe Turins, als Teil des Approdi-Festivals. Am gleichen Ort wurde Esigiamo ein Jahr später der Ausgangspunkt für ein Seminar mit der Künstlerin unter der Leitung von der Literaturkritikerin und Übersetzerin Anna Nadotti (Werke von Amitav Gosh, Anita Desai, Vikram Chandra).

Die Unterzeichnenden der Erklärung kamen aus der westlichen Sahara, Algerien, Guatemala, Kolumbien, Argentinien, Palästina, Somalia, Mexico, Argentinien, Guatemala, Afghanistan, Brasilien, Irak, Israel, Argentinien, Bolivien, Argentinien und Italien (in dieser Reihenfolge).


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