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programmthematische reihekünstlerInnen

konzept : künstlerInnen
Alexandra Croitoru

Die WAHRHEIT braucht zweierlei:
Jemanden, der sie ausspricht…  und jemanden, der sie hört

Meine Untersuchungen begannen 2008 während eines sechswöchigen Aufenthalts in Zürich. Schon immer habe ich mich für die Analyse mentaler und ideologischer Konstrukte interessiert. Seit der Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hat, habe ich begonnen, mich mit ethnischen Minderheiten zu beschäftigen und dabei der Frage nachzugehen, ob dieses Ereignis möglicherweise einen Präzedenzfall für das Autonomiebestreben anderer Minderheiten darstellt. Viele ethnische Minderheiten, die Roma eingeschlossen, sind staatenlos, während andere, etwa die Ungarn in Rumänien wie auch in der Slowakei und Serbien, zunehmend die Frage ihrer Autonomie diskutieren. 

Während meiner Zeit in der Schweiz untersuchte ich die Rätoromanisch sprechende Minderheit und die Sprache Rumantsch selbst, in der sich viele Gemeinsamkeiten mit dem Rumänischen finden lassen. Ich reiste durch Graubünden, wo ich bildliches Dokumentarmaterial sammelte, verschiedene kulturelle Einrichtungen besuchte, Interviews führte und das Thema mit den Menschen, die ich dort traf, diskutierte. Mir schien, dass für die rätoromanische Bevölkerung weder Autonomie Thema ist, noch sind es nationalistische Aussagen oder territoriale Ansprüche. Merkwürdigerweise brachte mich das dazu, mir den stark nationalistischen Diskurs in Rumänien genauer anzusehen (der die Rolle der römischen Kolonisation in der Formierung unserer eigenen Kultur ignoriert). Ich beschloss, für dieses Projekt diese beiden unterschiedlichen Umgangsweisen mit nationaler Identität miteinander in Beziehung zu setzen. Ich begann meine Zusammenarbeit mit Dr. Magdalena Popescu-Marin, der einzigen rumänischen Linguistin, die auf das Rätoromanische spezialisiert ist, und fügte der Untersuchung ein fiktives Element hinzu.

Das Projekt kommentiert die Phänomene fiktionaler Geschichtsschreibung und Sprache als Schlachtfeld in Bezug auf den nationalistischen Diskurs. Indem Realität und Fiktion kombiniert und wissenschaftliches Vokabular und Verschwörungstheoriemuster aufgegriffen werden, konfrontiert das Projekt das System der Desinformation. Präsentiert wird das Video eines revolutionären Vortrags über Rumantsch als prä-lateinischer Sprache, die ihre Wurzeln im antiken Rumänischen hat, der folgendermaßen eingeleitet wird:

„Es scheint, dass die wiederholten Bemühungen, die in der Vergangenheit erfolgt sind, um unser Volk seine nationale und historische Identität vergessen oder ignorieren zu lassen, teilweise erfolgreich waren. Lasst uns nicht vergessen, dass eine wiederholte Lüge den Status einer Wahrheit bekommen kann, während eine vernachlässigte Wahrheit nach und nach immer verworrener erscheint. Anfänglich waren wir nicht daran gewöhnt, dass politische Kriterien in den Bereich der wissenschaftlichen Forschung eindringen, aber inzwischen haben wir das Ausmaß einer solchen Politik in Westeuropa in vollem Umfang erkannt und müssen uns fragen: Warum wird die historische Wahrheit verschleiert? Wer hat etwas von der künstlichen Trennung der rätoromanischen und der rumänischen Kultur? Weshalb erfahren die auf Isolation zielenden Kräfte, sogar innerhalb der rätoromanischen Kultur, Unterstützung?“   




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