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konzept : treffen : künstlerInnen : filmprogramm
[Treffen mit Initiativen] [Dialogische Gesprächsreihe] [Skype Meetings]

Öffentliche Recherche und die Notwendigkeit von Dialog
Text und Konzept: Sønke Gau und Katharina Schlieben

Kuratierte ‹Gesprächsformate› zwischen Wissensproduktion und Vermittlung:
Treffen mit Initiativen, Dialogische Gesprächsreihe und Skype Meetings als Ausgangspunkt und Bestandteil der Projektreihe Work to do! Selbstorganisation in prekären Arbeitsbedingungen.
Sönke Gau und Katharina Schlieben

Selbstorganisation lässt sich als ein Prozess verstehen, in dem gleichberechtigte Elemente eines Systems in sich permanent verändernden Konstellationen miteinander vernetzt sind und in dem keine Trennung zwischen organisierenden, gestaltenden oder lenkenden Teilen stattfindet. Übertragen auf gesellschaftliche Bereiche liesse sich Selbstorganisation als ein Prozess beschreiben, in dem sich Subjekte in nicht hierarchischen Strukturen zu Gruppierungen zusammenfinden, wobei Grundlagen, Ziele, Selbstverständnis, Methoden etc. dieser Gruppe aus sich selbst heraus entwickelt werden. Um dies ohne vorgegebene Regeln erreichen zu können sind umfangreiche Diskussionen zur gemeinsamen Meinungsfindung unumgänglich. Die Bereitschaft zu Kommunikation im Sinne eines polyphonen Austausches und antagonistischer Meinungsfindungen sind dementsprechend einerseits konstitutiv für selbst organisierte Gruppierungen nach ‹innen› – andererseits sind kommunikative Prozesse notwendig, wenn auf Grund eines Anspruchs auf gesellschaftliche Relevanz Zielsetzungen nach ‹aussen› vermittelt werden sollen.

Sowohl für die Organisation untereinander als auch für die Vermittlung der jeweiligen Anliegen, bzw. die Generierung von Öffentlichkeiten sind somit kommunikative Prozesse in Bezug auf Selbstorganisation von zentraler Bedeutung. Die Projektreihe Work to do! Selbstorganisation in prekären Arbeitsbedingungen hat diese Überlegungen zu einem ihrer Ausgangspunkte genommen, um über kommunikative Notwendigkeiten/Möglichkeiten von kollektiver Wissensproduktion und gegenseitiger Vermittlung nachzudenken. Dabei war/ist es uns ein wichtiges Anliegen, die Überlegungen und Fragestellungen in Bezug auf ‹Selbstorganisation› auch mit unserer eigenen kuratorischen Praxis zu verknüpfen.

Sowohl ‹kollektive Wissensproduktion› als auch ‹Vermittlung› sind häufig anzutreffende Begriffe im Diskurs um die Erforschung künstlerischer Praxis. Es ist unserer Ansicht nach notwendig, sie aus institutioneller Perspektive nicht ausschliesslich forschend und deskriptiv in Hinblick auf künstlerische Praxen zu verwenden, sondern sie als einen wesentlichen Teil der eigenen kuratorischen Tätigkeit mitzudenken, bzw. danach zu fragen, welche Formen kollektiver Wissensproduktion und Vermittlungspraxis selbst initiierbar sein könnten. Wenn Wissensproduktion und Vermittlung nicht kategorisch getrennt voneinander gedacht werden sollen, stellt sich neben den grundsätzlichen Fragen ‹wie wird Wissen produziert?› und ‹wer vermittelt an wen warum?› jene nach dem Verhältnis zueinander. Uns interessiert die Überschneidung zwischen beiden Bereichen, welche vermeintliche Dichotomien nicht reproduziert, sondern das ‹Dazwischen› als produktive Möglichkeit fokussieren möchte. Ein möglicher Ansatz könnte es aus unserer Perspektive sein, dass sich ‹AkteurInnen› (sei es praxis- oder/und theorieorientiert) und ‹InteressentInnen› des jeweiligen Wissensfeldes zu einem Dialog begegnen, der versucht ‹ExpertInnenwissen› und ‹Interessiertenwissen› als gleichberechtigte Ebenen zu begreifen und die Rollen(zuschreibungen) im Zusammenhang mit kollektiver Wissensproduktion durchaus auch als austauschbar versteht. Voraussetzung dafür ist es, dem Moment der Vermittlung untereinander als gemeinsamen Lernens ein eigenständiges wissensproduzierendes Potential zuzugestehen: Im Sinne der Frage, die keine Antwort vorweg denkt oder einer Antwort, die keine Frage vorweg nimmt.

Als einen wesentlichen Bestandteil der dritten Thematischen Projektreihe Work to do! Selbstorganisation in prekären Arbeitsbedingungen haben wir einerseits versucht unsere Recherche ‹öffentlich› durchzuführen, d.h. Interessierten eine Teilnahme zu ermöglichen und andererseits die in diesem Zusammenhang stattfindenden Treffen so zu gestalten, dass Momente der kollektiven Wissensproduktion und Vermittlung in dem oben beschriebenen Sinn eines gemeinsamen Lernens und Verstehens ermöglicht werden sollten. Für die drei Projektabschnitte haben wir dafür drei unterschiedliche ‹Gesprächsformate› vorgeschlagen: Treffen mit Initiativen, Dialogische Gesprächsreihe und Skype Meetings.




Treffen mit selbst organisierten Initiativen
Um lokale selbst organisierte Initiativen in Zürich besser kennen zu lernen und mehr von ihnen zu erfahren, fanden im Frühjahr 2007 eine Reihe von Treffen mit solchen Gruppierungen statt. Wir wollten Menschen und Orte, die hinter diesen Initiativen stehen, kennen lernen und etwas über ihre Motivationen, ihre Arbeitsbedingungen ihre strukturelle Organisationen, ihre ökonomischen Grundlagen und Visionen erfahren. Das Spektrum reichte von Initiativen, die bereits auf eine gewisse Tradition zurückblicken können bis zu solchen, die gerade erst am entstehen waren und neue Formen der Organisation und Artikulation ausprobieren. Gemeinsam ist allen fünf, dass sie sich in selbst organisierten Strukturen für emanzipative Anliegen einsetzen: Mozaik (www.mozaik.ch) und nosotras (www.nosotras.ch), die sich mit den kulturellen und sozialen Anliegen von MigrantInnen auseinandersetzen und einen kulturellen Austausch ermöglichen möchten, antidot (www.antidot.ch), die versucht haben eine neue Zeitung als Plattform für die ‹widerständige Linke› zu gründen, die Frauen Dienstleistungs-, Gewerbe- und Kulturzentrum Zürich AG (www.frauenzentrum.com/html/projekt.html), welche in Form einer Aktiengesellschaft Frauen aus Wirtschaft, Kultur und Politik eine Infrastruktur bereit stellen möchte, die sich aus Frauensicht für eine wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreiche Tätigkeit eignet und Kraftwerk1 (www.kraftwerk1.ch), die als Wohngenossenschaft gemeinschaftliche, selbst bestimmte Formen von Wohnen und Arbeiten ermöglichen.

[Frauenzentrum] / [antidot] / [Mozaik und Nosotras] / [KraftWerk1]

Zu den Treffen mit Initiativen waren sowohl Projektbeteiligte als auch die BesucherInnnen der Shedhalle eingeladen. Die Besuche verstanden sich als eine Art ‹öffentliche Recherche›, im Zuge derer Austausch und direkte Gespräche stattfanden, vor allen Dingen aber auch Fragen erörtert wurden, die wiederum die Diskussion um die Konzeption und Fragestellungen der Projektreihe massgeblich beeinflussten. Die Gespräche mit den ProtagonistInnen der Initiativen sowie den anderen TeilnehmerInnen wurden dokumentiert und anschliessend wieder in die Ausstellung integriert.

Das ‹Hinausgehen› aus der Institution Shedhalle – und damit des eigenen Kontextes – an die Orte, an denen die Initiativen arbeiten, bot allen TeilnehmerInnen die Möglichkeit diese selbst kennen zu lernen. Darüber hinaus beeinflusste die unmittelbare Verknüpfung mit den Organisationsstrukturen, die sich im Raum niederschlagen und die Art und Weise, wie die gastgebenden Initiativen den Abend gestalteten, die Diskussionen insofern, dass Vorstellungen ‹vor Ort› hinterfragt und evtl. auch korrigiert werden konnten, ohne das umfangreiche Erklärungen über den eigenen Kontext notwendig gewesen wären. Wichtig war es uns, die Shedhalle BesucherInnen nicht von diesen Recherchen auszuschliesen, sondern bewusst einen Rahmen zu konzipieren, in welchem Fragen gemeinsam entwickelt oder weitergeführt werden konnten. Gleichzeitig wurden Anregungen und Kritik von den Initiativen betreffend der Projektreihe oder einzelner Projektkonzeptionen Bestandteil der Weiterentwicklung.


Foto 1: Frauen Dienstleistungs-, Gewerbe- und Kulturzentrum Zürich AG, by Jonas Schocher / Foto 2: Kraftwerk1, by Iris Ströbel


Foto 3: antidot,by Jonas Schocher / Foto 4: Mozaik, by Iris Ströbel






Dialogische Gesprächsreihe

Von Herbst 2007 bis Winter 2008 wurden die ‹kuratierter Gesprächsformate› im Rahmen einer Dialogischen Gesprächsreihe fortgesetzt, welche Akteurinnen aus feministischer Theorie und Praxis zur Diskussion über Arbeitsbedingungen zusammenbrachte. Die Fokussierung auf feministische Ansätze ergab sich einerseits aus der vorangegangenen Recherche, da viele selbst organisierte Initiativen von feministischen und egalitären Ansätzen geprägt sind und war andererseits als Recherche für die im Frühjahr eröffnete Ausstellung Skype Meetings gedacht.

Die eingeladenen Dialogpartnerinnen wurden aus Wissenschafts- und Praxisfeldern eingeladen, welche in Zusammenhang mit den Recherchen der an der Projektreihe work to do! beteiligten KünstlerInnen stehen: migrantische Selbstorganisation, Geschichte von emanzipativen Bewegungen in Zürich in Hinblick auf Berufswahl und -tätigkeit, mediale selbst organisierte Kanäle des Kulturkontextes sowie die politische Organisation von feministischen Anliegen. Zum Beispiel diskutierten Yvonne Riaño (Geographie und Gender Studies am Geographischen Institut der Universität Bern) und Vania Alleva (Gewerkschaft UNIA, Präsidentin Migrationskommission) von wissenschaftlicher und gewerkschaftlicher Seite aus die Kämpfe um die Ausbildungssituation von MigrantInnen und die Schwierigkeiten, welchen den Chancen der Selbstorganisation von Migrantinnen gegenüberstehen. Diese Informationen und Kontakte waren unter anderen sehr hilfreich für die Aktion 1 SFR – 1 Stimme der Künstlerin Andreja Kuluncic, die im Rahmen von Work to do! eine selbst organisierte Kampagne von und für San Papiers initiierte. Durch die Möglichkeit in der Gewerkschaftszeitung horizonte der UNIA, welche in vielen Sprachen erscheint, kostenlos Anzeigen zu platzieren, konnten Informationen über die Aktion in weitere Sprachen übersetzt und distribuiert werden, und somit grössere Teilöffentlichkeiten generiert werden.

Der grösste Teil der Dialogischen Gesprächsreihe fand im Werdplatzpalais statt. Das Werdplatzpalais wurde von Folke Köbberling und Martin Kaltwasser einerseits als ein innerstädtischer Satellit für Veranstaltungen und Filmvorführungen der Shedhalle konzipiert und gebaut. Andererseits stand das Gebäude aber auch als Ort für selbst organisierte Initiativen, die einen Raum benötigten, zur Verfügung (zum Beispiel für die Suppenküche kurz vor Weihnachten). Da das Werdplatzpalais im Januar wieder abgebaut werden musste, wurden die Dialoge an Orten, die in einer Verbindung zu den teilnehmenden Dialogpartnerinnen stehen (zum Beispiel in den Räumlichkeiten von Radio LoRa), fortgeführt. Die letzte dialogische Veranstaltung mit Tove Soiland (Historikerin, Schwerpunkt feministische Theorie) und Dore Heim (Gleichstellungsbüro der Stadt Zürich) fand im Restaurant des Frauenzentrums im Kreis 5 statt. So ergab sich mit der ersten Veranstaltung der Treffen mit Initiativen im Gebäude der Frauen Dienstleistungs-, Gewerbe- und Kulturzentrum Zürich AG ein interessanter Bogen, der die Diskussion um feministische Anliegen in der Stadt Zürich, nicht zuletzt um die Frage nach deren Räumlichkeiten und den dahinter stehenden Konzepten miteinander in Verbindung setzte.

Die unterschiedlichen Gespräche waren immer dann am interessantesten und produktivsten, wenn sich ein gemeinsames Anliegen oder eine Interessensolidarität herauskristallisierte, dies über eine ‹monologische Vermittlung› als Wissensweitergabe oder Erfahrungsbericht hinaus reichte. Erst wenn dialogisch gleichberechtigt im Sinne eines trans-disziplinären Austausches, Zielsetzungen und Methoden diskutiert, überprüft und multiperspektivisch betrachtet wurden, kam es zu einem Austausch, der die Trennlinie zwischen ‹Erklärenden› und ‹Versuchen-Zu-Verstehenden› zu Gunsten einer kollektiven Wissensproduktion und gegenseitigen Befragung aufhob.



Foto 1: Veranstaltung im Werdplatzpalais/event and discussion in the Werdplatzpalais, by Iris Ströbel / Foto 2: Veranstaltung im Werdplatzpalais/event and discussion in the Werdplatzpalais, by Iris Ströbel / Foto 3: Veranstaltung im Werdplatzpalais/event and discussion in the Werdplatzpalais, by Folke Köbberling



Monika Bütler, Professorin für Volkswirtschaftslehre Universität St. Gallen und Elisabeth Joris, Historikerin

Das erste dialogische Gespräch im Werdplatzpalais möchte sich mit der Frage nach Berufschancen und der damit zusammenhängenden Frage nach der Kinderbetreuung auseinander setzen. Elisabeth Joris (Historikerin) wird in ihrem Input rückblickend emanzipatorische Bewegungen und Kämpfe in Bezug auf Familienpolitik in der Schweiz skizzieren. Monika Bütler (Professorin für Volkswirtschaftslehre Uni St. Gallen) möchte an Hand von Daten die Paradoxien im Hinblick auf Chancengleichheit, Einkommensverhältnisse und Kinderbetreuung erläutern.

Yvonne Riaño, Geographie und Gender Studies am Geographischen Institut der Universität Bern und Vania Alleva, Gewerkschaft UNIA, Präsidentin Migrationskommission

Das zweite dialogische Gespräch im Werdplatzpalais möchte die Ausbildungssituation und Arbeitsverhältnisse von MigrantInnen im Hinblick auf Chancengleichheit diskutieren. Yvonne Riano (Geographie und Gender Studies am Geographischen Institut der Universität Bern) wird in ihrem Beitrag "Wege zur beruflichen Integration: Herausforderungen und Strategienvon Migrantinnen in der Schweiz" zwei Aspekte hervorheben, den der (strukturellen) Möglichkeiten für die berufliche Integration wie auch den der selbstorganisierten Initiativen von Migrantinnen. Vania Alleva (Gewerkschaft UNIA, Präsidentin Migrationskomission SGB) fragt nach der spezifischen Rolle und den Herausforderungen der Gewerkschaftskämpfe in Zusammenhang mit den Anliegen von Migrantinnen.

Nicole Niedermüller, Frauenstelle Radio LoRa und Esther Quetting, Redakteurin im Filmbereich und Filmkuratorin, Mitherausgeberin der Zeitschrift Olympe. Location: Radio LoRa

Das dritte dialogische Gespräch widmet sich verschiedenen Formen medialer Distribution feministischer Positionen und thematisiert ihre Praktiken im Spannungsfeld von Selbstorganisierung und Freiwilligenarbeit im kulturellen Bereich. Nicole Niedermüller (Frauenstelle Radio LoRa) fragt in ihrem Beitrag nach der Rolle Freier Radios als Orte selbstorganisierter kultureller Produktion und Vernetzung von Frauen. Esther Quetting (freie Redaktorin und Mitherausgeberin der Zeitschrift Olympe) reflektiert in ihrem Beitrag am Beispiel zweier feministischer Projekte die Grenzen und Möglichkeiten von Interventionen in der Öffentlichkeit, vor dem Hintergrund einer kommerzialisierten Medienkultur.

Tove Soiland, Historikerin mit Schwerpunkt feministische Theorie und Dore Heim, Leiterin Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich. Location Frauenzentrum, Kreis 5

Das vierte dialogische Gespräch möchte Perspektiven aus kritischer feministischer Theorie und derzeitige politische Praxen der städtischen Gleichstellung diskutieren. Dore Heim (Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich) wird die Situation in Zürich und aus ihrer Sicht Überlegungen skizzieren. Tove Soiland (Historikerin mit Schwerpunkt feministische Theorie) fragt nach Widersprüchen in der Entwicklung der gegenwärtigen Gendertheorie. Ein anschließendes Gespräch und eine Diskussion möchte die verschieden Handlungsfelder in Dialog bringen.





Skype Meetings

Der dritte Teil von Work to do! rückte die Kommunikation auch ins Zentrum der Ausstellung in der Shedhalle. Um einen direkten und gleichzeitig transnationalen Erfahrungsaustausch über selbst organisiertes Arbeiten in prekären Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, wollten wir das Gesprächsformat ‹Skypen› ausprobieren. Ausgangslage für das Projekt Skype Meetings waren die zwei oben beschriebenen Gesprächsformate. Von den an der öffentliche Recherche und Gesprächen beteiligten Protagonistinnen, sowie von an Work to do! beteiligten KünstlerInnen wurden DialogpartnerInnen vorgeschlagen, mit welchen ein Erfahrungs- oder Rechercheaustausch oder ein Dialog begonnen oder fortgesetzt werden wollte. Dafür wurde das Programm Skype genutzt, die Gespräche wurden aufgezeichnet und sind in der Ausstellung Skype Meetings zu hören und zu sehen.

Vor dem Hintergrund der Beschäftigung mit Selbstorganisation in prekären Arbeitsbedingungen stellen die Beteiligten die Frage, welche Arbeitsformen es sind, die Modelle emanzipativer Arbeits- und Lebensbedingungen schaffen. An welchen Schnittstellen intervenieren sie? Wie werden sie wahrgenommen? Wie können selbst organisierte Netzwerke mit jeweils spezifischen Anliegen Öffentlichkeiten herstellen? Es scheint, als ob die Frage nach öffentlicher Wahrnehmung einher geht mit der Frage nach den Möglichkeiten nachhaltige Strukturen zu schaffen, die Arbeitsbedingungen mit emanzipativen Intentionen realisierbar und praktizierbar machen. Die Frage nach der wirksamen Wahrnehmung selbst organisierter Netzwerke kann aus diesem Grund nicht getrennt werden von der Auseinandersetzung mit gängigen Ökonomien medialer Zirkulation.

Das Projekt Skype Meetings möchte daher Kommunikations- und Distributionsmedien, die von selbst organisierten Netzwerken generiert und genutzt werden, genauer betrachten: Wie wird kommuniziert? Wie werden Fragen und Anliegen – insbesondere auch feministische – von Netzwerken, Initiativen und Gruppierungen in Bezug auf egalitäre und kollektive Arbeitsbedingungen diskutiert und distribuiert. Selbstorganisierte mediale Kanäle, unter anderem Gemeinschaftsradios, freie Sendeformate im Fernsehen und Internet, Zeitschriften/online Magazine, Internetportale sowie Blogs spielen hierbei eine wichtige Rolle. Das direkte Gespräch, informelle Netze und persönlicher Austausch sind in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung. Skype Meetings möchte eine Art Knotenpunkt sein – für die BesucherInnen ein Ort der Recherche und des Austauschs. Neben den Skype Meetings diskutierten verschiedene Kulturschaffende in weiteren Medien und Formaten ihre Fragen und Ansätze, die im Folgenden noch beschrieben werden.


Foto 1/2: Ausstellungsansicht Skype Meetings/Installation view Skype Meetings, by Iris Ströbel


Skype Meetings von und mit
bankleer → Sophie Hope, Dimitry Vilensky; Hynek Bures → PRAXIS. Institute for Participatory Practices; Saskia Holmkvist → Anya Kamenetz, Bettina König; Andrea Knobloch → Medea Hoch; Folke Köbberling, Martin Kaltwasser → Jakub Szreder; Andreja Kulunčić → Marianna Garin; Kunsthaus Aussersihl → KünstlerWerkstatt L6 und PiST, Interdisciplinary Project Space Pangalti; Aurélie de Lalande → Gargi Sen; Bianca Miglioretto → Kaushalya Perera, Upeksha Thabrew; Nicole Niedermüller → Luna Paz; Cora Piantoni → Anna Holzscheiter; Reartikulacija → Kontekst Galerija; Chris Regn → Kate Henderson, Eva Kietzmann; Eva Schuhmacher → Eva Hug; Tove Soiland → Birge Krondorfer; Mirjam Wirz → Iván Guzmán de Rojas; Shalini Randeria → Achyut Yagnik, u.a.--


Die netzartige Struktur, welche die verschiedenen Gesprächsformate, die Dialoge, die GesprächspartnerInnen und daraus entstandenen Zusammenarbeiten und Anliegen miteinander verbindet, möchte eine vordeklinierte einseitige Auswahl der SprecherInnenperspektiven vermeiden und im Gegensatz dazu eine Offenheit proklamieren, die sich aus der Logik der Projektanliegen und -prozesse selbst heraus kristallisiert. Die Vielzahl der unterschiedlichen selbst organisierten Initiativen und ihrer Strukturen sprechen für ein Bedürfnis nach aber auch für die Notwendigkeit von politischer Vielstimmigkeit als Bedingung demokratischer Meinungsfindung, die Alternativen zu hegemonialen Strukturen aufzeigen und im besten Fall auch umsetzen kann. Differenz ist dabei als konstitutiv zu verstehen – es geht dabei nicht um die Negierung derselben, sondern um einen Verhandlungs- und Austauschprozess, der temporäre Allianzen ermöglicht. Dafür ist ein offener Dialog unumgänglich.




AU REZ DE CHAUSSÉE DE LA VILLE / AT THE GROUNDFLOOR OF THE CITY
Vortrag (auf Englisch) und Filmvorführung von Doina Petrescu und Constantin Petcou (atelier d'architecture autogérée)  

Dienstag, 04. Dezember 2007, 19.00 Uhr
Werdplatzpalais (ein Projekt von Köbberling/Kaltwasser)
Werdplatz (gegenüber vom Restaurant Cooperativo
8004 Zürich

AAA ist eine Non-Profit-Organisation und ein interdisziplinäres Netzwerk, das im Jahre 2001 in Paris von ArchitektInnen, KünstlerInnen, StädteplanerInnen. LandschaftsarchitektInnen, SoziologInnen, StudentInnen und AnwohnerInnen gegründet wurde. Sie haben eine Serie von selbst verwalteten Projekten in der Gegend La Chapelle im Norden von Paris initiiert, indem BewohnerInnen aufgefordert wurden, sich notdürftig, falsch genutzte oder unterbenutzte Räume anzueignen und kritisch umzuformen. Diese Strategie wertet einen flexiblen und reversiblen Umgang mit Raum auf und zielt darauf, urbane Biodiversität anhand der Koexistenz einer grossen Bandbreite an Lebensstilen und Lebenspraxen zu erhalten. Sie haben mit dieser Praxis begonnen, indem sie einen temporären Garten etablierten, der aus recycelten Materialien konstruiert wurde. Der Garten - ECObox - wurde seither stufenweise zu einer Plattform für Stadtkritik und Kreativität erweitert, der von Mitgliedern des AAA, Ortansässigen und externen KollaborateurInnen kuratiert wird. Die Plattform katalysiert Aktivitäten auf einer lokalen und translokalen Ebene.

Die Veranstaltung wird ermöglicht mit der freundlichen Unterstützung der Französischen Botschaft in der Schweiz.