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SYMPOSIUM
Eine Gedankenskizze

Mit einem Symposium beschliesst die Shedhalle am 6./7. Juni 2008 die Reihe Work to do! Selbstorganisation in prekären Arbeitsbedingungen. Damit verbindet sich die Finissage der Ausstellung Skype Meetings und die Herausgabe der Shedhalle Zeitung. Die im Laufe des Projektes und im Speziellen innerhalb der Skype Meetings gestellten Fragen bzw. die darin gebotenen Antworten sollen während des Symposiums aufgenommen und weiterdiskutiert werden: Welche medialen Vermittlungsformen unterstützen Projekte, die eine alternative «WirtschaftsWEISE» (WIR FRAUEN, Nr. 3/2007) versuchen? Sind in den Skype Meetings Anklänge eines ‹neuen› Feminismus zu vernehmen, wie wird demnach «Feminismus heute» (Graswurzelrevolution, März 2008) gestaltet? Ist beispielsweise das Medium Film eine viel versprechende (weil künstlerische) Strategie, um «am Staatsapparat zu bleiben», ohne dabei «der dominanten Kultur und Ideologie» zu folgen (Frederikke Hansen), oder das Gemeinschaftsradio als Medium, das anstatt der «trennenden Arbeitsteilung zwischen MacherInnen und HörerInnen» neue Kommunikationsformen erprobt (Nicole Niedermüller)?

Zusammen mit Gästen aus verschiedenen Arbeitsfeldern möchten wir den Dialog fortsetzen, der zwischen den unterschiedlichen in der Ausstellung Skype Meetings versammelten Medien angelaufen ist. Entgegen der herkömmlichen – in Vortragende und Publikum trennenden – Form eines Symposiums, besteht der Wunsch, den gegenseitigen Austausch nicht auf eine Abschlussdiskussion zu beschränken. Vielmehr sollen sich die Gespräche durch die einzelnen Programmpunkte ‹hindurchschlängeln›. Nach dem Motto des in der Ausstellung nutzbaren Open Desktops: «Wissen teilen anstatt sich einer hierarchischen Entscheidungsstruktur unterzuordnen» (CCC (Critical Curatorical Cybermedia) Study Program).

Vor dem Hintergrund der Ausstellung Skype Meetings, die Aspekte von Kommunikation ins Zentrum stellt, wird mit dem Symposium ein weiteres Kommunikations- und wenn möglich auch Distributionsmedium ins Spiel gebracht. Den Skype-Gesprächen vergleichbar ist auch das Symposium eine Form des Zusammenkommens von Menschen, die sich sonst nicht ohne weiteres treffen würden oder könnten. Bei ersterem verhilft das Internet zur Überwindung der räumlichen Distanz und schafft eine virtuelle Nähe. Bei letzterem ermöglichen die Organisator_innen der Veranstaltung eine physische Zusammenkunft. Welche Vorzüge zeichnen das jeweilige Kommunikationsmedium aus, wo machen sich Momente des Scheiterns bemerkbar? Wiederkehrende Schwierigkeiten, seien dies Mängel bei der Übertragung, der Bild- oder Tonqualität, erweisen das Skype-Format zuweilen als noch wenig erprobte Technik. Zeitdruck und hohe Reisekosten dagegen, schränken die Auswahl der Symposiumsteilnehmer_innen ein.

Da das Symposium im Raum der Skype Meetings stattfindet, möchten wir die Gelegenheit nutzen, den Ausstellungskontext konkret miteinzubeziehen. Aus diesem Grund beginnt das Symposium am Freitag mit einem Rundgang durch die Skype Meetings. Besonders denjenigen Teilnehmer_innen, welche die Ausstellung zum ersten Mal besuchen, bietet sich damit die Möglichkeit in ihren Beiträgen und Kommentaren spontan auf die Skype Meetings Bezug zu nehmen. Der Rundgang soll aber auch Anlass für eine Art Fazit geben: Wie wurde die Ausstellung erlebt, genutzt und (in den Medien) kommentiert? Hat sich das in verschiedener Hinsicht ungewöhnliche Ausstellungsformat bewährt? Beispielsweise die Architektur, die eher einem Internet-Café gleicht und teilweise auch einem solchen ähnlich (zur Recherche) genutzt werden kann? Oder die Zeitbeanspruchung, welche die Besucher_innen, angesichts von Skype-Gesprächen und Filmen, die teilweise bis zu einer Stunde dauern, einiges an Ausdauer abverlangt?

Anschliessend konzentriert sich das Abendprogramm auf eines der in der Ausstellung präsentierten Medien. Mit working on it wird Frederikke Hansen ein Beispiel aus dem von ihr für Skype Meetings zusammen gestellten Filmprogramm präsentieren und zusammen mit einer der beiden Filmemacherinnen, Sabina Baumann, kontextualisieren und zur Diskussion stellen.

Am Samstag folgen mehrere Beiträge und Präsentationen aus wissenschaftlichen Kontexten und spezifischen arbeitspraktischen Feldern. Dies bedeutet aber weniger eine Trennung in Theorie und Praxis, sondern vielmehr eine Kombination verschiedener Perspektiven: Es gilt, in positivem Sinne einen abstrakten Rahmen abzustecken – denn die Frage nach der wirksamen Wahrnehmung selbst organisierter Netzwerke kann weder von gängigen Ökonomien medialer Zirkulation, Distribution und Übersetzung noch von hegemonialen Geschlechterverhältnissen und den damit einhergehenden Arbeitsteilungen getrennt betrachtet werden. Vor allem geht es aber auch darum, Einblicke in konkrete Umsetzungsbeispiele insbesondere feministischer Selbstorganisation zu gewinnen. Bei den eingeladenen Referent_innen und Akteur_innen sind die einen bisher nicht direkt ins Projekt der Shedhalle involviert gewesen und vertreten deshalb eine grössere Aussenperspektive, während die anderen in irgendeiner Weise in den verschiedenen Modulen von Skype Meetings bereits auftreten, sei dies als Dialogpartnerin innerhalb eines Skype-Gesprächs oder als Redakteurin einer der ausgestellten Zeitschriften. Auf diese Weise bekommt das Publikum beispielsweise über das Resultat der gedruckten Zeitschrift hinaus die Macherinnen bzw. die spezifischen Herstellungsprozesse dahinter zu Gesicht. Oder es besteht die Möglichkeit Fragen direkt zu stellen, die beim Hören/Sichten eines Skype-Gesprächs entstanden sind.

Einige weitere Diskussionspunkte wird schliesslich die Shedhalle Zeitung bieten, welche die Symposiumsteilnehmer_innen am Ende der Tagung mit nach Hause nehmen können. Vergleichbar dem in Skype Meetings ausgelegten Abreissblock, dessen Blätter alle wichtigen Informationen der Ausstellung enthält, ist auch die Shedhalle Zeitung als ‹Datenquelle› zum weiterrecherchieren zu betrachten und zu nutzen. Denn ganz im Sinne von Work to do! ist das Symposium rückblickend ebenso wie vorausblickend gedacht: Welche Arbeiten wurden getan? Was gibt es noch zu tun? Reflexionen über die gesamte Reihe und die Skype Meetings im Speziellen, um davon ausgehend die zukünftigen emanzipatorischen Potentiale selbst organisierter Arbeitsformen zu verhandeln.

PROGRAMM

Freitag 6. Juni
18.00
Einführung/Rundgang durch die Ausstellung Skype Meetings
Film-Screening working on it von/mit Frederikke Hansen, zusammen mit der Filmemacherin Sabina Baumann

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Working on It
In Mai 2004 trafen sich Leute aus Film, Kunst und Sozialarbeit in der Shedhalle um zu diskutieren wie ein ‹queeres› Filmprojekt aussehen könnte/sollte. Vier Jahre später, in Zürich wieder, ist es so weit: Der Film WORKING ON IT hat am schwullesbischen Filmfestival Premiere und es wird klar, dass es den Filmemacherinnen Karin Michalski und Sabina Baumann wirklich gelungen ist nicht bloss einen ‹queeren› Film, sondern viel mehr ‹queer› Film zu machen. 15 Darsteller_innen treffen sich in WORKING ON IT in einem ehemaligen Supermarkt und jetzt Testumgebung und Treffpunkt für die queere Community Berlins. Durch Performance und Diskussion suchen sie nach neuen Ausdrucksformen für flüssigen und antihierarchischen Identitäten.
Mitinitiatorin Frederikke Hansen und Filmemacherin Sabina Baumann zeigen den Film, erzählen Anekdoten von ‹behind the scenes› und diskutieren Aspekte der queeren Kulturproduktion mit Publikum.
www.workingonit.de

Sabina Baumann (1962, lebt und arbeitet in Zürich), Künstlerin und Dozentin. www.sabinabaumann.ch. www.markmueller.ch.

Frederikke Hansen (1969, lebt und arbeitet in Berlin und Kopenhagen), Kuratorin und Mitgründerin des Kollektivs Kuratorisk Aktion. Ehemalige Kuratorin der Shedhalle.
www.kuratorisk-aktion.org. www.rethinking-nordic-colonialism.org.

Samstag 7. Juni
13.00
Einführung
Vorträge und Inputs von:
- Catherine Hoskyns: Linking Gender and Trade Policy – Obstacles to and Opportunities for Civil Society Action
- an.schläge – Das Feministische Magazin, Lea Susemichel und Saskya Rudigier
- Birge Krondorfer, Frauenhetz – feministische Bildung, Kultur und Politik
- CCC: 24/7 : Open Desktop. Ein partizipativer Arbeitsraum
- Rubia Salgado, maiz – Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen und WIP – work in process
16.30 Diskussion
Apéro

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Catherine Hoskyns, Coventry University, UK
Die Verbindung von Geschlechter- und Handelspolitik
Hindernisse und Möglichkeiten für Bürgerbewegungen

Zusammenfassung:
Die Themen Handel und Geschlecht hat aufgrund verschiedener Faktoren auf der politischen Tagesordnung an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch die Politisierung der Handelspolitik, durch die Verbindung zwischen Handel und Entwicklung und durch die Ausweitung des Handels in Richtung von Dienstleistungen. Die Anwendung von Gender Mainstreaming durch einige Regierungen und internationale Institutionen in allen Politikbereichen ermöglicht mehr Druck und Initiativen in Sachen Geschlechterbeziehungen. Geschlecht und Handel sind daher eine nützliche Fallstudie, um die Rolle von Bürgerbewegungen und -organisationen in Hinblick auf ihren Einfluss auf makroökonomische Politik zu bewerten. Dennoch gibt es eine beträchtliche Kluft zwischen geschlechteranalytischen auf der einen und wirtschaftspolitischen Ansätzen auf der anderen Seite, die zu Missverständnissen auf beiden Seiten führt. Das Ziel dieses Aufsatzes ist die Untersuchung der Gründe dieser Kluft und der Maßnahmen, die derzeit getroffen werden, um sie zu überbrücken. In diesem Zusammenhang geht es im Besonderen darum, wie mit Geschlechterfragen während der Verhandlungen um Handelspartnerschaften umgegangen wird, die derzeit zwischen der EU und Ländern aus dem afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum stattfinden. Untersucht werden außerdem neue Ideen zum Thema ‹fair› im Gegensatz zum ‹freien› Handel und die Bedeutung des ‹fairen Handels› für die Rolle der Frauen. Das Material legt nahe, dass Geschlecht und Handel vermutlich integriert werden, wenn sich Grundannahmen verlagern und Dialoge als Teil einer größeren Kampagne stattfinden, der es darum geht, Entwicklung zu einem zentralen Bestandteil von Wirtschaftspolitik zu machen. Bürgerbewegungen spielen bei dieser Veränderung eine wichtige Rolle.

Catherine Hoskyns ist Professor Emerita in Europastudien und Geschlechterpolitik an der Universität Coventry. Sie ist außerdem Visiting Fellow am Centre for the Study of Globalisation and Regionalisation (CSGR) der Universität Warwick. Sie ist die Autorin von Integrating Gender – Women, Law and Politics in the European Union (Verso, 1996) und forscht gegenwärtig zu diversen Schnittpunkten von Geschlechterfragen und Makroökonomie. Ihre jüngste Publikation (zusammen mit Professor Shirin M. Rai) ist „Recasting the Global Political Economy: Counting Women’s Unpaid Work“, in New Political Economy 12/3, September 2007.

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an.schläge
Prekarisierungsprozesse sind in weiblichen Lebens- und Arbeitszusammenhängen kein neues Phänomen. Auch in feministischen Kontexten ist die Ambivalenz zwischen Selbstbestimmung und Selbstausbeutung längst offensichtlich. Dementsprechend hat die Auseinandersetzung mit den diversen Erscheinungsformen von Prekarität und die Suche nach Gegenstrategien im Feminismus durchaus Tradition. Ebenso wie die Einsicht, dass es zwischen unterschiedlichen Prekaritätserfahrungen – etwa denen migrantischer HausarbeiterInnen und kulturschaffender FreelancerInnen – gravierende Differenzen gibt.
Feministische Medien sind nicht nur ein Experimentierfeld für eine alternative, selbst organisierte und egalitäre Kommunikationskultur, sondern auch eines, auf dem Solidarisierung und Selbstermächtigung innerhalb prekärer Strukturen erprobt werden können.

Lea Susemichel, geb. 1976, studierte Philosophie und Gender Studies in Wien, ist Lehrbeauftragte an der Kunstschule Wien und seit 2002 bei den an.schlägen. Seit 2005 ist sie auch Redakteurin von an.schläge tv, dem feministischen Magazin auf OKTO.

Saskya Rudigier, 1976 in Bludenz geboren, studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaften in Wien und Berlin. Sie ist seit 2005 bei den an.schlägen und macht seit 2005 auch an.schläge tv, das feministischen Fernsehmagazin auf OKTO.
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Frauenhetz
Der Beitrag zur Frauenbildungsstätte Frauenhetz – Feministische Bildung, Kultur und Politik (Wien) möchte zwei Fragen zur Diskussion stellen: Ist ehrenamtliche Arbeit prekär, also der Logik des Mangels verpflichtet, oder kann politisches Tun von einem positiven Begriff der Verausgabung her betrachtet werden? Und: wie hängen unhierarchische Vermittlungsformen von Wissen und Handeln mit Anerkennungsverhältnissen zusammen?

Birge Krondorfer
Universitätslektorin, Autorin zur feministischen Theorie- und Praxisbildung, Erwachsenenbildnerin, Gruppentrainerin, Supervisorin, Mitgründung und tätig in der Frauenhetz seit 1991. Neueste Publikation aus dem Kontext: Frauen und Politik. Nachrichten aus Demokratien.

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maiz - Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen in Oberösterreich
Ausgehend von der Notwendigkeit der Veränderungen hinsichtlich der Lebens- und Arbeitssituation von Migrantinnen in Österreich und im Sinne einer Stärkung ihrer politischen und kulturellen Partizipation arbeitet maiz seit 1994 nach dem Prinzip der Selbstorganisation in verschiedenen Bereichen: Vernetzung, Öffentlichkeits- und Kulturarbeit, Beratung und Begleitung von Migrantinnen, Gesundheitsprävention und Streetwork für Migrantinnen in der Sexarbeit, Bildungsarbeit, Arbeit mit jugendlichen Migrantinnen, Forschung. 
www.maiz.at

Rubia Salgado
lebt seit 1987 in Österreich, studierte Portugiesisch und Literaturwissenschaft in Rio de Janeiro/Brasilien. Langjährige Arbeit mit Migrantinnen im Bildungs- und Kulturbereich. Mitbegründerin und Mitarbeiterin von maiz.   
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24 / 7 : Open Desktop. Ein partizipativer Arbeitsraum.
Studiengang CCC (Critical Curatorial Cybermedia), Geneva University of Art and Design