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einführung : konzept : künstlerische beiträge
Narrenproduktion
Die Visualisierung von Protest als unterhaltsames Werbe-Schauspiel (2004)
Rudi Maier, Mediologische Vereinigung Ludwigsburg

Während 1971 weltweit Menschen auf die Straße gingen, um gegen den Vietnamkrieg, autoritäre Strukturen, eindimensionale Beziehungsmodelle, den Muff unter den Talaren und vielem anderen mehr zu demonstrieren, warb die bundesdeutsche Lufthansa um junge und jung gebliebene Kunden als Fluggäste. Bei Interesse versprach die Werbeanzeige eine "extra erstellte purpurrote Broschüre", die "in neutralem Kuvert zugeschickt" wird. Ein paar Jahre später schrieb Dick Hebdige in Subculture the Meaning of Style: Die Träger der Revolte werden "abwechselnd abgelehnt, denunziert oder heiliggesprochen". Sie werden inszeniert als Akteure der "Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder als harmlose Narren."

Werbeanzeigen sind stets Ausdruck konkreter gesellschaftlicher Verhältnisse oder anders ausgedrückt: Keine Ideologie ohne Zeichen. Die alten und neuen "Logoscapes" konstituieren sich aus einem reichhaltigen Zeichenregime – und wollen vor allem in kommerziellen Werbeanzeigen Protest, Aufruhr und Revolte als Teil eines großen "Kasperl-Theaters" zeigen. Narrenproduktion zeigt die Geschichte dieses (umkämpften) Verhältnisses.

Dreißig Werbeanzeigen aus den letzten 35 Jahren veranschaulichen die visuellen Strategien der Verniedlichung und der Zähmung von Protest und den Versuch einer Re-Integration der "Akteure" ins dominant-hegemoniale Gesellschaftskleid. Sie stammen aus der Sammlung So geht Revolution, einem Projekt der Mediologischen Vereinigung Ludwigsburg (MVL). Seit zwei Jahren tourt ein Teil der Sammlung als Wanderausstellung durch linke Zentren, selbst verwaltete Schulen, aufgeschlossene Galerien, Kinos und Kunst- und Kulturzusammenhänge. Sie zeigt etwas mehr als einhundert Werbeanzeigen, die allesamt mit den Zeichen, Symbolen, Slogans, Parolen und Ikonen der (radikalen) Linken operieren. Die gesamte Sammlung umfasst derzeit ca. 1500 Exponate.

Die MVL ist ein loser Haufen von Leuten, die sich vor allem für die (kommerziellen) Bilderwelten des Neoliberalismus interessieren und sich seit 1999 in verschiedenen Ausstellungsprojekten u.a. mit der Funktion von Tageszeitungs-Titelseiten (Tagespop), der ikonographischen Inszenierung des World Trade Centers (Mein WTC), "revolutionären" Iconoclashs (So geht Revolution) oder, wie im letzten Jahr, anlässlich des 75. Geburtstages von Che Guevara mit der "Pop-Ikone" Che (Das Konterfei des Comandante) beschäftigen. Manchmal hält jemand von ihnen auch einen Vortrag. Weitere Informationen, auch zur ausleihbaren Ausstellung "So geht Revolution", unter www.demoz-lb.de/inis/mv.htm

Eine frühe Form von "Payback-Karte" und "Geiz ist geil": Revolution mit Rabatt (1971)

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