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AUSSTELLUNG 2000

Automobility
vom 2000-11-11 bis 2000-12-17

Eröffnung: 2000-11-10

Frauen, Fahrzeuge und die Macht der Mobilität

Frauen und Männer besitzen zu gleichen Teilen die Fahrerlaubnis, trotzdem nutzen die Geschlechter das Auto zu ganz unterschiedlichen Zwecken. Die Geschlechterdifferenzen bleiben also weiterhin bestehen.

Mobilität ist die absolut wichtigste Qualität der modernen Gesellschaft. Kennzeichnend für die moderne, kapitalistische Gesellschaft sind Warenverschiebungen, Reisen und Transporte. Produkte, Menschen und Informationen bewältigen immer grössere Distanzen in immer kürzerer Zeit.

Das Auto, das gefeierte Symbol der Freiheit, wird schon lange als Inbegriff der Mobilität verstanden. Wenn nun Frauen das Auto anders benutzen als Männer, kann es sein, dass dann die Geschlechterdifferenzen einen zentraleren Punkt in der Gesellschaft einnehmen als die Mobilität an sich?

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Frauen vornehmlich kürzere Distanzen hinter sich legen und dass sie die meisten der Einkaufs- und Familientouren machen. Das spiegelt sich sowohl in der Populär- als auch in der sogenannten Hochkultur. Frauen fahren nicht aus Freude am Fahren, wie es jedenfalls von Werbung, Film und Literatur suggeriert wird. Sobald sich die (fiktionale) Frau alleine ans Steuer setzt, ist dies mit grössten Gefahren verbunden – die sie oft mit dem eigenen Leben bezahlt. Ridley Scotts Thelma & Louise, Russ Meyers Faster Pussycat! Kill! Kill! (»Die Satansweiber von Tittfield«) sowie Paul Verhoeven's Basic Instinct sind einige der berühmtesten Beispiele.

Der Diskurs über Frauen und Fahrzeuge ist sehr spannend, und wir können eine ganze Menge über die soziale Organisation erfahren, wenn wir uns Autos, Verkehr und dessen Übersetzung in die Kommerz- und Populärkultur näher anschauen.

Die Ausstellung Automobility. Frauen, Fahrzeuge und die Macht der Mobilität untersucht die Stereotypisierung der Geschlechter sowie die kulturellen Klischees mit dem Ziel, deren Konsequenzen besser zu verstehen.

Ein Grossteil der Ausstellung setzt sich auf die eine oder andere Art mit bewegten Bildern auseinander, was angesichts des Themas nicht verwundert.

Jayne Holsingers Gemälde erinnern an Schnappschüsse, aufgenommen durch die Windschutzscheibe eines Autos. Porträts von Autofahrerinnen alternieren mit weiten Landschaften. Diese Serie befasst sich mit dem Mythos der weiblichen Natur, zu ängstlich und unentschlossen, den Motor meistern zu können.

Vibeke Tandberg lässt sich von niemandem sagen, sie beherrsche ihr Fahrzeug nicht. Sie ist einiges cooler und gelassener als DeNiro in Taxi Driver. In Taxi Driver Too sitzt sie hinter einer Steuerradattrappe und fährt das gelbe Taxi durch das nächtliche New York. Die musikalische Untermalung (genau wie im Martin-Scorsese-Film) ist atemberaubend, doch die Gewalt fällt weg, und so wird die Spannung fast zur Satire.
Eine weitere atemberaubende Fahrt durch New York wird von Su Friedrich in ihrem Film Rules of the Road in Szene gesetzt. Sie erzählt die traurige, aber auch spielerische Geschichte einer Liebesbeziehung und deren allmählichem Ende.

Als Verbindung auf symbolischer und auf praktischer Ebene sowohl zwischen den Liebenden als auch zwischen den Getrennten fungiert ein Auto – ein gebrauchter Kombi mit Imitat-Holzverkleidung an den Seiten, ein extrem konventionelles Familienauto und ein ziemlich ironischer Fetisch für ein lesbisches (Ex)Liebespaar.

Sophie Calle schaut nicht zurück auf vergangene Liebe. Sie inszeniert ihre bevorstehende Hochzeit mittels dem Road-Movie-Videotagebuch, Double Blind, coerzählt und gefilmt von Gregory Shephard. Calle und Shephard, beide ausgerüstet mit Video-Camcordern, fahren in seinem Cadillac aus New York davon, ihrem Ziel entgegen: Las Vegas und eine Roadside-Hochzeit.

Ninon Liotet wird für diese Ausstellung eine neue Installation entwerfen, die die subtilen Manipulationen der Filmindustrie in Bezug auf Form und Inhalt aufzeigt. Dies geschieht anhand der Geschichte einer Frau mit Ambitionen und die damit verbundene lange Reise.

Eine zweite Installation, die in der Shedhalle Premiere hat, ist Lorraine Oades neue beeindruckende Arbeit über Amelia Earhart und Frauen in der Luftfahrt. Im Rampenlicht steht ein 1:5 Modell des Flugzeugs, in dem Earhart den Atlantik überquerte!

In Jeanine Osbornes audiovisuelle Installation verwandelt sich ein weiss-verkleideter Capri in eine vogelartigen Kreatur zu wilden und kapriziösen Stimm- und Geigenklängen. Osborne, eine ausgebildete Vokalistin, komponiert und singt die Tonkulisse dieser Installation.

Schliesslich wird das Netz-Zine d.pict, issue 0.5 über die Geschwindigkeit und Mobilität schneller und nicht so schneller Frauen, als Teil von Automobility lanciert. In der Ausstellung besteht die Möglichkeit, auf eine Online-Seifenkiste aufzuspringen und auf dem Informations-Highway herum zubrausen und die vielen features und Vorrichtungen in d.pict zu besuchen.

Bücher und andere Informationsmaterialien, die sich während der Recherchen zur Ausstellung angesammelt haben, werden in der Ausstellung aufliegen, und bieten neugierigen und beflissenen BesucherInnen die einmalige Chance, sich weiter ins Thema einzuarbeiten.

Am letzten Abend der Ausstellung wird die Filmwissenschaftlerin Judith Hossli einen Vortrag über die Rolle der Frau in den Road-Movies halten, illustriert durch eine ganze Reihe von Filmbeispielen.


Konzept: Frederikke Hansen

Organisation: Shedhalle-Team

KünstlerInnen: Sophie Calle, d.pict, Su Friedrich, Jayne Holsinger, Ninon Liotet, Lorraine